Von Wolfgang Müller, dpa
Souverän und ohne Satzverlust zieht Angelique Kerber bei den US Open erstmals seit 2011 ins Viertelfinale ein. Vor fünf Jahren begann hier der Aufstieg der Tennisspielerin aus Kiel. Schritt für Schritt nähert sich die Olympia-Zweite nun einem weiteren großen Ziel.
New York (dpa) – Mit Serena Williams spricht Angelique Kerber derzeit nur das Nötigste. Nicht, dass sich die zwei besten Tennisspielerinnen der Welt nicht mehr verstehen würden. Im Gegenteil. Die 22-malige Grand-Slam-Siegerin aus den USA nimmt ihre hartnäckigste Verfolgerin als Kontrahentin auf Augenhöhe wahr und ernst. Und Kerbers Respekt vor der sechsmaligen US-Open-Siegerin ist weiter ungebrochen.
Immer wieder liefen sich die Nummer eins und zwei der Welt in den vergangenen Tagen auf der weitläufigen Anlage im Flushing Meadows Corona Park über den Weg. Mal trainierte die eine direkt vor der anderen, mal trafen sie sich in der Umkleidekabine.
Ein bisschen Smalltalk, ein bisschen «Wie geht es so?» Mehr nicht.
«Nee, nee, das macht man nicht», antwortete Kerber nach ihrem Viertelfinal-Einzug bei den US Open auf die Frage, ob es in ihren Gesprächen auch um das mögliche Duell um die Nummer eins ginge.
Nach Kerbers Achtelfinal-Sieg gegen die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova steht fest, dass Williams (deren Achtelfinale gegen die Kasachin Jaroslawa Schwedowa am späten Montagabend deutscher Zeit angesetzt war) das Endspiel erreichen müsste, um ihre Spitzenposition nicht zu verlieren. Theoretische Chancen auf die Übernahme der Nummer eins hatte aber auch noch die Polin Agnieszka Radwanska.
Kerber selbst schiebt die Nummer-eins-Diskussion seit Tagen und Wochen von sich. Schon einmal hatte sie die Chance – und unterlag im Finale von Cincinnati kurz vor den US Open der Tschechin Karolina Pliskova. «Als Kind habe ich davon geträumt. Jetzt kann es passieren, aber ich darf mir deswegen keinen Druck machen und nicht zu viele Gedanken im Kopf haben», sagte Kerber nach ihrem Sieg gegen Kvitova.
Schritt für Schritt nähert sich die 28-Jährige aus Kiel in diesen Tagen in New York ihrem zweiten Grand-Slam-Titel. Drei Runden zum Aufwärmen gegen Polona Hercog, Mirjana Lucic-Baroni und Catherine Bellis und das letztlich souverän gewonnene Achtelfinale gegen die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova haben die Rolle Kerbers beim vierten und letzten Grand-Slam-Turnier der Saison manifestiert.
Zum zweiten Mal nacheinander durfte sie in der Night Session im Arthur-Ashe-Stadium antreten. Auch ein Ausdruck von Respekt und der Hoffnung der US-Open-Macher auf gute Unterhaltung für die teuer zahlende Kundschaft in der größten Tennis-Arena der Welt. Spätestens seit ihrem Australian-Open-Sieg, aber mehr noch seit ihrem knapp verlorenen Wimbledonfinale gegen Williams wird Kerber als seriöseste Herausfordererin der jahrelangen Dominatorin ernstgenommen.
«Es war ein langer Prozess», sagte Kerber nach ihrem 6:3, 7:5-Erfolg gegen Kvitova und analysierte selbstbewusst: «Heute weiß ich, dass ich die großen Turniere gewinnen kann, dass ich enge Matches gewinnen kann und dass ich auf den großen Plätzen gegen die Großen gewinnen kann.» Bei den Australian Open feierte die Norddeutsche durch einen Finalsieg gegen Williams als erste Deutsche seit Steffi Graf einen Grand-Slam-Titel. In Wimbledon unterlag sie Williams im Endspiel knapp. Bei Olympia verlor sie das Spiel um Gold gegen Monica Puig.
Bis zu einem möglichen Finale sind es auch noch zwei Schritte. Im Viertelfinale wartet am Dienstag Roberta Vinci. Die Italienerin hat im vergangenen Jahr im Halbfinale völlig überraschend Serena Williams aus dem Turnier geworfen – als alle nur noch vom bevorstehenden vierten Grand-Slam-Triumph in einem Jahr der Amerikanerin sprachen.
Das Spiel hat Kerber damals nicht gesehen, aber sie ist gewarnt und sagt deshalb: «Es ist noch ein weiter Weg.»